Emotionale Inanspruchnahme: Gewalt

Praxisbeispiel

In der Notaufnahme des Elisabeth-Krankenhauses ist abends immer viel los. Neben akuten Notaufnahmen gibt es viele Patientinnen und Patienten, die zwar Beschwerden haben, aber auch am nächsten Tag den Hausarzt oder die Hausärztin aufsuchen könnten. In der Regel wird dennoch niemand weggeschickt. Die Patientinnen und Patienten werden auf die längeren Wartezeiten hingewiesen. Trotz dieser Hinweise kommt es immer wieder zu Beschwerden beim Personal und in Einzelfällen auch zu Bedrohungen. An einem Abend kommt ein alkoholisierter, leicht blutender Patient in die Notaufnahme. Als eine Pflegerin ihn in den Wartebereich schickt, packt er sie an ihrem Kasack (Oberteil), schreit sie an und schubst sie mit voller Wucht gegen die Wand. Dieser Vorfall wird im Krankenhaus als Anlass genommen, die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen der Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen.


Mögliche Gefährdungen

Für die Beschäftigten der Notaufnahme des Elisabeth-Krankenhauses besteht durch Übergriffe die Gefährdung, körperlich und psychisch verletzt zu werden. Beschäftige könnten auch Ängste oder Traumafolgestörungen entwickeln, die es ihnen erschweren, wieder auf der Notaufnahme zu arbeiten. Gegenüber den Patientinnen und Patienten müssten die Beschäftigten immer freundlich sein, obwohl sie oft gestresst und überfordert sind (emotionale Dissonanz). Dies kann auf Dauer zu einer hohen körperlichen und psychischen Erschöpfung führen.


Schutzziele

Arbeit ist gut gestaltet, wenn Beschäftigte vor Gewalt, Aggressionen und Bedrohungen durch andere Personen (z. B. durch Patienten/innen und Angehörige) geschützt sind. Darüber hinaus sollten Beschäftigte möglichst selten emotionale Überforderung erleben. Sollte dies doch mal der Fall sein, sollten sie in die Lage versetzt werden, damit umgehen zu können.


Beispielhafte Maßnahmen

In der Reihenfolge S-T-O-P soll geprüft werden, ob es passende Maßnahmen zum Schutz vor einer Gefährdung gibt.

Substitution

  • In diesem Beispiel wurden keine substituierenden Maßnahmen getroffen.

Technische Maßnahmen

  • Zugangsbeschränkung zum Haus und zur Notaufnahme (insbesondere nachts, Zutrittssteuerung)
  • Sichere Empfangsbereiche/Tresen, die Mitarbeitende vor Zugriff schützt (ausreichend umschließende und ausreichend hohe, bruchsichere Trennscheibe mit verschließbarer Durchreiche; mehrere Flucht- und Ausweichmöglichkeiten)
  • Rückzugsraum fürs Personal (schnell und leicht erreichbar; Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen)
  • Notruf - Hilfe holen / Hilfe absetzen können (z. B. technische Hilfsmittel zur mobilen Alarmierung)
  • Gestaltung des Wartebereichs (z. B. gute Beleuchtung, ausreichend groß, bequeme Stühle, Unterhaltungsmöglichkeiten)

Organisatorische Maßnahmen

  • Wartezeitenmanagement
  • Angemessene Personalplanung
  • Notfallplan
  • Information und Absprachen mit der Polizei
  • Die Erfassung und mindestens jährliche Auswertung der verbalen und körperlichen Gewaltereignisse z. B. durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. im Arbeitsschutzausschuss
  • Nachsorgekonzept

Personenbezogene Maßnahmen

  • Verpflichtende Deeskalationstrainings für alle Mitarbeiter spätestens alle drei Jahre, des Weiteren Schulung in Zwangsmaßnahmen / Fixierungstechniken
  • Unterweisung in Hinblick auf geeignete Bekleidung und Schuhwerk (Festes Schuhwerk, Kleidung ohne unnötige Eingriffs- und Griffmöglichkeiten, möglichst keine Schals etc.)
  • Unterweisung in Hinblick auf Frisur und Schmuck (Ohrstecker anstatt Creolen, keine Halsketten, Schlüsselketten; Haare eher hochgesteckt, kein Pferdeschwanz)