abgeschlossen 11/2014
Die messtechnischen und theoretischen Untersuchungen zur Problematik des Schutzes von Personen vor den Gefahren durch Störlichtbögen bei Arbeiten an elektrischen Anlagen in vorhergehenden Projekten sollen systematisch fortgesetzt und erweitert werden.
In den Untersuchungen sind folgende Schwerpunkte zu bearbeiten:
In den Untersuchungen sind grundsätzliche Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Personenschutzes bei Störlichtbogenrisiken angestrebt. Die Ergebnisse sollen auch direkt in aktuelle Projekte der internationalen Normung bei IEC, insbesondere zur Produktnorm IEC 62819 für den Augen-, Gesichts- und Kopfschutz und den Technical Report IEC TR 78-901 für die Auswahl von PSA (Technical Report for correlating the results of arc test methods to electrotechnical applications in order to select the proper electric arc protective equipment) einfließen. Sie sollen darüber hinaus auch Grundlagen für die Weiterentwicklung der bestehenden Prüf- und Produktnormen für PSA (IEC 61482-1-2, 61482-2) bilden.
Messung der Strahlungsemission von AC-Störlichtbögen im Prüfaufbau des Boxtests nach IEC/EN 61482-1-2 (VDE 0682-306-1-2):
Die im vorangegangenen Forschungsprojekt bereits begonnenen Untersuchungen wurden mit der Zielstellung weitergeführt, die Gefährdungsparameter der optischen Strahlung und Wärmestrahlung (naher IR-Bereich) in Abhängigkeit von Lichtbogenparametern auf der Grundlage von Labormessungen näherungsweise zu berechnen. Die Betrachtungen wurden für den Wellenlängenbereich von ca. 300 bis 3000 nm im Prüfaufbau des Boxtests nach IEC/EN 61482-1-2 vorgenommen. Die angedachte Abstimmung mit den Arbeiten der Allgemeinen Unfallversicherung Österreich (AUVA) bzw. der Seibersdorf Labor GmbH wurde gegenstandslos, weil durch diese Institutionen keine neuen Untersuchungen vorgesehen sind.
Die Untersuchungen ergaben, dass aus der Sicht der optischen Strahlung Personengefährdungen im Bereich der Expositionsverhältnisse, die den Boxprüfungen zugrunde liegen, thermische Schädigungen der Hornhaut (durch IR-Strahlung) nicht ausgeschlossen werden können und einen Schutz erfordern. Netzhautschädigungen durch Blaulicht sind nicht wahrscheinlich, aber nicht vollständig ausschließbar. Praktisch ausschließen kann man Augenschädigungen durch UV-A-Strahlung und thermische Schädigungen der Augenlinse (Linseneintrübung durch UV- und IR-Strahlung) bei Wirkabständen ≥ 300 mm.
Generell ist zu den Strahlungsmessungen und -bewertungen festzustellen, dass zum einen prinzipiell das Problem besteht, dass Einschätzungen zur Geometrie der sehr komplizierten und diffusen Strahlungsquelle und zu den Geometrieverhältnissen der Strahlungseinwirkung zu treffen sind, die Ungenauigkeiten und Unschärfen mit sich bringen. Andererseits besitzen Lichtbogenvorgänge und -auswirkungen stochastischen Charakter, sodass die Messwerte statistischen Schwankungen unterliegen. Dennoch können die ermittelten Ergebnisse hinsichtlich der Strahlungsanteile und -aufteilung und der Gefährdungskenngrößen auch quantitativ durchaus als belastbar angesehen werden und liefern verwertbare Erkenntnisse im Hinblick auf die Personengefährdungen. Mit den gefundenen Richtwerten und Abschätzungen können grundsätzliche Bewertungen und quantitative Betrachtungen in Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen werden.
Im Hinblick auf die Erweiterung oder Ergänzung von PSA-Prüfungen resultieren aus Sicht der Strahlungsemission und -einwirkung durch Störlichtbögen keine separaten Anforderungen. Aus praktischer Sicht können die Untersuchungen zur Strahlungsemission als abgeschlossen angesehen werden.
Messtechnische Bestimmung des Zusammenhangs zwischen Einwirkenergie (Kalorimetermessung) und elektrischer Lichtbogenenergie in Abhängigkeit von Prüf- und Stromkreisparametern in einem erweiterten Parameterbereich:
In Fortsetzung früherer Laboruntersuchungen zu den elektrischen und thermischen Kennwerten von zweipoligen Lichtbögen in 400-V-Systemen wurden die Zusammenhänge zwischen den energetischen Lichtbogenkenngrößen und den anderen Testparametern bestimmt und analysiert. Die Datenbasis konnte dabei deutlich vergrößert werden, sodass im Ergebnis belastbare Aussagen erzielt wurden. Die ermittelten energetischen Relationen können für die Gefährdungsbeurteilung genutzt werden. Sie können auch herangezogen werden, wenn PSA-Prüfungen mit Prüfaufbauten oder Prüfparameter durchgeführt werden, die von den Normbedingungen des Boxtests abweichen. Erfolgen die Prüfungen im Aufbau des Boxtests, so können bei abweichenden Prüfströmen und/oder Prüfzeiten die Gültigkeitsbedingungen hinsichtlich der Kontrollgrößen überprüft werden. Bei abweichendem Prüfaufbau kann anhand der energetischen Relation eingeschätzt werden, ob die vorliegenden Bedingungen stärkere oder schwächere thermische Expositionen mit sich bringen (elektrische Lichtbogenenergie führt zu höheren oder niedrigeren Einwirkenergien im Vergleich zu den Boxtestbedingungen).
Es muss darauf hingewiesen werden, dass sich die energetischen Verhältnisse deutlich ändern können, wenn abweichende Elektrodenmaterialien eine Rolle spielen. Die Einwirkenergie hängt stark von den Elektrodenmaterialien ab; sehr hohe Werte ergeben sich dann, wenn ausschließlich Aluminiumelektroden vorliegen. Die Materialkombination Aluminium-Kupfer deckt jedoch einen großen Bereich der möglichen Bedingungen ab.
Es wurde eine Beziehung zur Bestimmung der äquivalenten Energiewerte bei Abweichung von den Standardexpositionsbedingungen des Boxtests abgeleitet, die nichtlinearen Charakter besitzt. Die abgeleitete Beziehung sollte in das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung nach DGUV 203-077 (vormals BGI 5188) übernommen werden und den bisherigen Ansatz ersetzen. Aus Genauigkeitsgründen sollte die praktische Bestimmung des Schutzpegels der Persönlichen Schutzausrüstungen gegen Störlichtbögen mithilfe der Prüfpegel WarcP vorgenommen werden. In Weiterführung der Untersuchungen ist zu bestätigen, dass die dabei getroffene Voraussetzung der Übertragbarkeit der quantitativen Beziehung zwischen Einwirkenergie und Lichtbogenenergie auf beliebige Wirkabstände und Lichtbogenanordnungen gerechtfertigt ist.
Untersuchungen zur Bestimmung der Lichtbogenenergie und Einwirkenergie bei dreipoliger Elektrodenanordnung (dreipolige Störlichtbogenausbildung):
Um weitere Erkenntnisse für den Aufbau und die Parameter der in dreipoligen Elektrodenanordnungen durchzuführenden messtechnischen Untersuchungen und für die Gefährdungsbeurteilung ableiten zu können, sind zur Vorbereitung systematischer Messreihen Berechnungen von Lichtbogenparametern vorgenommen worden. Diese Analysen erfolgten mithilfe von neuen Modellen und Modellparametrierungen, die in sehr umfangreichen Untersuchungen in den USA für dreipolige Elektrodenanordnungen abgeleitet wurden, die zukünftig in die Standards von NFPA und IEEE zur Gefährdungsbeurteilung eingehen werden, jedoch noch nicht veröffentlicht sind. Die Zielsetzung bestand dabei nicht darin, Absolutwerte für Leistungs- und Energiekennwerte zu ermitteln, sondern zur Klärung des eigenen Untersuchungsbedarfs beizutragen.
Im Fazit zu den Berechnungen ist festzuhalten, dass praktische Untersuchungen zu dreipoligen Elektrodenanordnungen insbesondere Anordnungen mit horizontaler Elektrodenorientierung einschließen müssen. Bei den Elektrodenabständen ist es ausreichend, den Bereich bis ca. 30 mm zu untersuchen. Es sollten Messungen vorgenommen werden, die eine Einschätzung des Einflusses des Boxvolumens ermöglichen. Darüber hinaus ist es angezeigt, unterschiedliche Elektrodenmaterialien zu untersuchen. Der Einfluss des Elektrodenmaterials wird in den amerikanischen Modellen überhaupt nicht berücksichtigt, kann aufgrund der Voruntersuchungen aber keinesfalls ausgeschlossen werden. Es ist ein detaillierter Katalog für die notwendigen Untersuchungen abgeleitet worden.
Zusammenstellung von Kennwerten von DC-Lichtbögen:
Das Gebiet der Gleichstromkurzschlüsse mit Störlichtbögen und des Schutzes von Personen vor deren Wirkungen ist bisher vergleichsweise wenig untersucht worden. Anwendungsgebiete für DC-Systeme, die eine spezifische Betrachtung der DC-Verhältnisse erfordern, existieren in großem Umfang: beginnend bei Wechselrichter gespeisten DC-Anlagen bsplw. im Bereich der dezentralen Einspeisungen (Photovoltaikanlagen) bis hin zur E-Mobilität mit Hochvoltbatterien (Montage, Betrieb, Laden). Es gibt bislang kaum spezielle und fundierte Erkenntnisse zum Verhalten von DC-Störlichtbögen, zur Höhe der Lichtbogenleistung und Einwirkenergie und den Einflussgrößen auf die genannten Kennwerte. Deshalb fehlen auch belastbare Aussagen und Ansätze zum Schutz von Personen bei DC-Kurzschlüssen mit Störlichtbögen. Die europäischen Anwenderhilfen für Gefährdungsbeurteilungen geben hierzu noch keinerlei gesonderte Hinweise, sondern empfehlen, die Erkenntnisse zu den Wechsel- bzw. Drehstromkurzschlüssen einfach zu übertragen. Ausgehend von einer umfangreichen Recherche ist deshalb eine Zusammenstellung von elektrischen und thermischen Kennwerten von DC-Lichtbögen und deren Bestimmung vorgenommen worden. Mit einem Berechnungsalgorithmus, der aus Literaturangaben abgeleitet wurde, sind Berechnungen mit Variationen wichtiger Einflussgrößen auf die Gefährdungsparameter durchgeführt und analysiert worden. Im Ergebnis ist festgestellt worden, dass systematische Laboruntersuchungen zur Ausbildung von Störlichtbögen in DC-Systemen und zu deren energetischen Auswirkungen erforderlich sind, um gefundene Aussagen und quantitative Zusammenhänge zu verifizieren. Dazu sind die prüftechnischen Voraussetzungen im Hinblick auf die DC-Quelle des Prüfkreises zu schaffen. Ein detailliertes Untersuchungsprogramm wurde erarbeitet. Die Zielrichtungen sind in der Ermittlung der Bedingungen zu sehen, die zu einem ausreichenden Schutz von Personen bei Kurzschlüssen mit Störlichtbögen durch die Anwendung von Persönlichen Schutzausrüstungen in Verbindung mit elektrischen Schutzeinrichtungen führen.
Im Projektzeitraum sind eine ganze Reihe von Arbeiten durchgeführt worden, die im Abschlussbericht nicht im Einzelnen dargestellt sind. Es wurden auch Untersuchungen zur Eignung bzw. zum Einsatz von Infrarotmessverfahren mithilfe einer Wärmebildkamera zur direkten Messung der thermischen Einwirkenergie durch Störlichtbögen durchgeführt, jedoch noch nicht abgeschlossen. Gleiches gilt für eine Recherche zu Hautmodellen für Hautreaktion bei thermischer Einwirkung und das Einsetzen von Hautverbrennungen. Eine Reihe der im Projektrahmen erarbeiteten Erkenntnisse ist direkt in laufende Normungsarbeiten eingeflossen. Desweiteren sind Grundlagen für Verfahren der Gefährdungsbeurteilung geschaffen worden. Der Bedarf an weiterführenden Untersuchungen ist abgeleitet worden. Der Abschlussbericht enthält detaillierte Aussagen dazu.
Elektrotechnik
Gefährdungsart(en):Elektrische Gefährdungen, -Verschiedenes-
Schlagworte:Normung, Persönliche Schutzausrüstung, Prüfverfahren
Weitere Schlagworte zum Projekt:Störlichtbogen, Strahlung, Einwirkenergie, Lichtbogenenergie